«Vielleicht sind wir halt einfach unaufsteigbar»

Vor sechs Jahren übernahm Gino Christen das Traineramt des neugegründeten Frauenteams beim SC Kriens. Heute koordiniert er im Kleinfeld den gesamten Frauenbereich mit mittlerweile zwei Juniorinnen-Teams und «seiner» 4. Liga Frauschaft. Ein Interview über eine rasante Entwicklung.

Gino Christen, du sitzt gerade im Homeoffice, hast eine lange Fussballpause hinter dir und von Oktober bis März kein Training der SCK-Frauen geleitet. Fehlte dir der Fussball?
Die Abwechslung zum Job, die mir der Fussball bietet, die fehlte mir. Ich kam nach der Arbeit nach Hause und dann passierte nichts mehr. Kein Training mehr. Mir fehlte unser Team, der soziale Aspekt des Fussballs, den vermisste ich. Menschen zu treffen, miteinander zu trainieren und zu spielen, das hätte ich gern gemacht. Aber der Fussball als solches fehlte mir nicht so.

Gab es keine Online-Trainingsübungen oder Taktik-Besprechungen auf Zoom?
Nein, wir hatten Pause. Es wäre bei uns ein «Gewürge» mit den Trainings in Kleingruppen oder Einheiten am Computer gewesen. In Absprache mit dem Team machten wir deshalb nichts. Aber unsere FF19-Juniorinnen organisierten sich tatsächlich online. Sie machten Video-Challenges mit verschiedenen Disziplinen, wie jonglieren oder Kraftübungen. Jede Woche gab es eine neue Challenge und am Schluss eine Tabelle. Die FF15-Juniorinnen durften aufgrund ihres Alters ganz normal trainieren.

Eingespieltes Team. Seit sechs Jahren trainieren Gino Christen und Michael Krummenacher die 1. Frauschaft des SC Kriens (Archivbild).

Welchen Einfluss hatte diese fussballlose Zeit auf das Team?
Das ist sehr schwierig zu sagen. Es kann positiv sein und wir kommen nun nach so einer langen Zeit ohne Fussball wieder mit richtig viel Lust zurück auf den Platz. Aber vielleicht haben auch einige gemerkt, dass sie den Fussball gar nicht mehr brauchen und nutzen ihre Freizeit dann anders. Anzeichen für Letzteres sehe ich bei uns momentan aber nicht.

Mittlerweile gibt es im Kleinfeld drei Frauenteams. Hättest du dir diese Entwicklung vor sechs Jahren vorstellen können?
Nein, das hätte ich nicht für möglich gehalten. Michi Krummenacher (sein Assistent A.d.R.) und ich haben die 4. Liga Frauschaft auch nicht mit der Idee übernommen, beim SCK einen Frauenbereich aufzubauen. Aber nun ist es toll zu sehen, wie engagiert die Mädchen und Frauen mitmachen und sich einbringen und wie gross die Nachfrage immernoch ist. Es überrascht mich schon ein bisschen.

«Momentan haben wir beim SCK vier Juniorentrainerinnen, da hat auch unser Verein sicher noch Potential.»

Den Aufschwung des Frauenfussballs spürt man also auch an der Basis?
Ja, wir merken, dass das Interesse der Mädchen am Fussball gestiegen ist. Ziemlich deutlich sogar. Zum Beispiel: Wir haben im vergangenen Sommer mit 14 Spielerinnen angefangen in der FF15. Als dann die FF19 zusammen mit dem FC Horw gegründet wurde, wechselten viele ältere Juniorinnen in dieses Team, damit wir dort genügend Spielerinnen haben. Jetzt, ein halbes Jahr später, spielen bei der FF15 wieder rund 20 Juniorinnen.

Viele FF15-Juniorinnen spielen beim SCK zum ersten Mal in einem Verein Fussball?
Ja, ich würde sagen die Mehrheit des Teams hat vorher noch nie Fussball in einem Verein gespielt. Das ist keine einfache Aufgabe für das Trainerteam, wenn sich das Niveau innerhalb eines Teams so unterscheidet. Wichtig ist, dass alle Spass haben. Jene die schon seit einigen Jahren kicken und die, die erst seit wenigen Wochen mit dabei sind. Es braucht etwas Geduld im Training und in den Spielen, aber die Fortschritte sind sichtbar und die persönlichen Erfolgserlebnisse im Training und im Spiel kommen sehr schnell.


Ich kann mich zum Beispiel an ein Spiel der FF19 erinnern, als zuerst die 1. Frauschaft gespielt hat. Es hatte viele Leute im Kleinfeld und viele sind geblieben, um auch die Juniorinnen zu unterstützen. Die Stimmung war toll, wir hatten Gänsehaut und die Mädchen haben in diesem Spiel ihren ersten Sieg überhaupt geholt. Solche Erlebnisse werden sie nicht mehr vergessen.

Braucht es beim SC Kriens noch ein weiteres Frauen- oder Juniorinnenteam?
Nein. Wir decken beim SC Kriens nun alle Altersstufen ab. Es gäbe zwar noch die Möglichkeit für eine FF12. Aber im Alter von 9 oder 10 Jahren sollen Mädchen und Jungs meiner Meinung nach gemeinsam in einem Team kicken.

Ziel 3. Liga: Ob die 1. Frauschaft in dieser Saison noch die Möglichkeit zum Aufstieg erhält ist offen (Archivbild).

Wünschenswert wäre es, wenn Frauen nach ihrer Aktivkarriere dem Fussball erhalten blieben. Aktuell sieht man allerdings kaum Frauen als Juniorentrainerinnen oder Vereinsfunktionärinnen.
Absolut. Wenn wir es schaffen, dass die Mädchen ab der FF15 bis zur 1. Frauschaft im Verein bleiben und sich auch aktiv am Vereinsleben beteiligen, dann haben wir unser Ziel erreicht. Momentan haben wir beim SCK ja bloss vier Juniorentrainerinnen, da hat auch unser Verein noch Potential. Auch Frauenteams haben übrigens eher selten Frauen im Staff. Ich sehe das zum Beispiel bei uns in der 4. Liga. Aber das wird sich schon in den nächsten vier, fünf Jahren ändern, davon bin ich überzeugt. Es wäre auch wünschenswert, wenn zum Beispiel jemand aus unserem Team mal das Traineramt bei der 1. Frauschaft des SC Kriens übernehmen würde.

Dann vielleicht in der 3. Liga?
Ja, die dritte Liga ist unser Ziel. Wir verpassen es leider seit sechs Jahr immer knapp (schmunzelt). Vielleicht sind wir halt einfach unaufsteigbar.

(Dieses Interview erschien im aktuellen Clubheft «Kleinfeld». Ich will auch so ein Clubheft)