Von Oliver Kraaz. Heerenschürli in Zürich muss man erst können. Daher fand ich mich bewusst etwas früher ein, um nicht auf dem Areal der 12 Plätze verloren zu gehen. Instinktiv ging ich wieder zur Holzbaracke «Home of FCZ», aber dort wurde trainiert.
Dann fand ich doch noch die kleine Stehrampe und beobachte eine Gruppe junger Männer, die sich seltsamerweise aber nur Bälle zu warfen. Da ich keinen einzigen kannte, wurde ich stutzig, bis es mir dämmerte: das war die Baseball-Mannschaft im Training, ich musste mich noch umdrehen, um den Fussballplatz sehen zu können
Die Anlage für die Frauen und die U21 ist ganz anständig. Gut, man möchte schon nicht öfters hier sein, aber der FCZ hatte immerhin für uns alles in grün gehalten, die ganze Rampe und jeden Masten der Einzäunung. Das war wirklich eine schöne Geste, nachdem der Besuch im März doch sehr unherzlich war.
Zum Spiel: Fing’ eigentlich gut an, sogar sehr gut. Drei Torchancen in 10 Minuten, das hätte ein schöner Abend werden können. FCZ U21-Goalie Yevhen Morozov, der als Nationalität «Ausland» auf dem Matchblatt eingetragen hatte, rettete einmal mirakulös, machte einmal den Raum geschickt zu und hatte beim dritten Mal Dusel.
Dann kam die 20. Minute und Patrice Kissling skorte aus dem Nichts zum 1:0. So muss es Maria ergangen sein, als sie verdattert zu Josef ging und ihm mitteilte: «Du, ich weiss auch nicht wie, aber da ist was…»
Bis zur Pause blieb diese grosse Verdatterung. Beide Teams pressten und neutralisierten sich fast gegenseitig, aber irgendwie fühlte sich dies nicht gut an. Pause.
Nach dem Besuch im Kiosk suchte ich die Toilette auf und wandelte im Trakt dann den Gang entlang. Aus Neugierde, wo ich denn da eigentlich hingelangen sollte. Ich las die Infos in den Glaskästen, bis ich hinter mir eine sehr herzliche Stimme hörte: «Achtung, ich muss jetzt pfeifen.»
Die Stimme war an mich gewandt. Ich drehte mich um – und da stand Schiedsrichter Dario Minder mit seiner Crew und nickte mir zu. Ich nickte ebenfalls und Herr Minder pfiff im Gang die Pause ab. Die Warnung war ausserordentlich nett, denn der Klang erinnerte an Fliegeralarm im Bunker. Ohne Warnung wäre ich wohl der erste Herzinfarkt-Tote im Garderobengang gewesen. Todesursache: Pausen-Ende-Pfiff. «Gute zweite Hälfte», bedanke ich mich und Herr Minder antwortet: «Ihnen auch», und trabte mit seiner Truppe gut gelaunt aufs Feld. Netter Mensch, der Herr Minder. Aber es sollte anders kommen.
Bringen wir also die 2. Halbzeit hinter uns: Wieder druckvolle 15 Minuten, dann fällt das 2:0. Kissling zum zweiten. Weil ihm das gefällt, skorte Kissling auch noch zum 3:0. Es gab noch das 4:0, das ich aber nicht mehr richtig mitbekam, weil ich Kollege Nicolas Schudel meine Überlegungen zum Spiel referierte, was dieser buddhistisch-gelassen anhörte.
Die S-Bahn war pünktlich und brachte mich verdankenswerterweise schnell vom Ort des Geschehens weg. Fachleute wollten jetzt sicher wissen: War der FCZ so stark? Um ganz kurz alles abzuhandeln: Nein, wir waren einfach schwach heute.
Aber Herr Minder machte einen super Job. Wie seine ganze Truppe.
Telegramm
FC Zürich U21 vs. SC Kriens 4:0 (1:0)
Heerenschürli 150 Zuschauerinnen und Zuschauer
Tore: 11. Kissling 1:0. 61. Kissling 2:0. 66. Kissling 3:0. 93. Kunz 4:0.
SC Kriens: Hunn, Riedmann, Harperink (46′ Schwegler), Fäh, Gegaj (77′ Caserta), Willimann, Kadima, Ukamata (46′ Siegrist), Sliskovic (65′ Rüedi), Ris, Wicht (65′ Hoxha)
Zürich U21: Morozov, Hodza; Denoon, Holcbecher, Walker (74′ Bohon Diet), Okafor Onyekosor (64′ Fiorini), Okafor, Grando; Reichmuth, Kissling (82′ Kunz), Greco (63′ Guevara Markelo)