Bei Slavisa «Sascha» Mitrovic spielen Torhüter im Sturm und das Team bestimmt die Aufstellung. Der SCK-Nachwuchstrainer über Kinderförderung mit etwas anderen Methoden.
Sascha Mitrovic, du trainierst im Kleinfeld 12- oder 13-jährige Jugendliche. Wie alt warst du, als der Gedanke «Fussballtrainer» zum ersten Mal aufkam?
Ich war nicht viel älter als die Jungs jetzt. Mit 16 Jahren habe ich die D-Junioren in Nebikon trainiert. Das war 1995. Seither bin ich Trainer im Juniorenfussball.
Und der Fussball war von klein auf ein Wegbegleiter?
Seit meiner Kindheit ja. Aufgewachsen bin ich in Nebikon, dort spielte ich in den Juniorenmannschaften und später in der ersten Mannschaft. Ging kurz zu Sursee, aber ich habe das heimische Umfeld und die Kollegen vermisst und bin schnell wieder zurück. Mir war die Kollegialität das Wichtigste, der soziale Charakter des Fussballs, das Gemeinsame nach dem Spiel. 2004 zog ich nach Buchrain, spielte dort und engagierte mich zugleich als Juniorentrainer auf verschiedene Stufen.
Was gibt dir die Arbeit als Juniorentrainer?
Für mich ist es Erholung und zugleich Leidenschaft pur auf dem Fussballplatz zu stehen. Auf dem Weg ins Training kann ich den Arbeitsalltag hinter mir lassen. Es fühlt sich wie eine Erholung davon an.
Ich liess die Jungs bewusst auf Positionen spielen, die nicht unbedingt ihrem Können entsprachen.
Was hat dich dazu bewogen, als Trainer vom Breitenfussball in Buchrain in den Spitzenfussball zu wechseln, das heimische Umfeld also als Trainer doch zu verlassen?
Ich habe mit der Zeit einen Ehrgeiz als Trainer entwickelt und ich war davon überzeugt, dass viele Dinge, die ich im Breitenfussball als Trainer gemacht habe, auch im Spitzenfussball funktionieren.
Welche Dinge?
Zum Beispiel das Rotieren der Positionen. Es gab bei mir keine fixen Positionen. Alle spielten im System, aber die Spieler rotierten und ich liess sie auch bewusst auf Positionen spielen, die nicht unbedingt ihrem Können entsprachen.
Ist dieses Rotieren, diese Flexibilität im Spiel im Juniorenspitzenfussball nicht fast normal heutzutage?
Jein, im Kinder-Breitenfussball hat sich diese Idee bis zur E-Stufe durch die Einführung von «Play more Football» sicherlich etabliert. Aber bei den älteren Junioren macht das kaum jemand. Persönlich finde ich, dass man dies bis zu den D-Junioren gut machen kann und die Kinder profitieren sehr davon. Im 11er Fussball ist es schwieriger, jedoch sind die Junioren dort für viele Spielsituationen schon gut ausgebildet. Aber auch auf unserer Stufe, im Footeco-Bereich, ist die Rotation nicht die Norm. So zumindest beobachte ich das.
Es gibt Trainings- und Spielvorgaben vom Verband und im Team Innerschweiz. Muss man sich als Trainer, bei dem alle Junioren überall spielen nicht manchmal erklären?
Ich kann mich an eine Phase mit den E-Junioren erinnern, als ich Trainer beim FC Perlen-Buchrain war. Wir verloren jedes Spiel, wobei die Resultate immer besser wurden. Jedoch hinterfragte ich mich auch, ob ich die einzelnen Spieler so weiterbringen kann und dem Teamspirit nicht schade. Diese Hin- terfragung entstand auch, weil mich immer mehr Eltern damit konfrontierten. Also habe ich gewechselt und den Kindern im nächsten Spiel feste Positionen gegeben.
Das Rotieren gehört zu meiner Philosophie bei der Ausbildung von Kindern und ich bin davon überzeugt, dass es ihnen hilft sich weiterzuentwickeln
Mit welchem Resultat?
Wir haben verloren. Nach dem Spiel ging ich auf einen Vater zu, um ihn zu begrüssen. Darauf fragte er mich, wieso ich nicht rotiert habe. Ich sagte ihm, dass es für die Jungs so vielleicht einfacher sei und ich etwas verändern wollte. Der Vater antwortete, er fände das Rotieren für die Entwicklung besser und ich solle doch dabeibleiben, unabhängig von den Resultaten. Da er selbst Trainer ist, nahm ich seine Worte ernst und entschied, diesen Weg zu gehen und daran habe ich mich bis heute gehalten, weil ich davon überzeugt bin.
(überlegt)
Als ich dann von Buchrain zum FCL in die FE12 wechselte, habe ich dort in einem Gespräch meine Philosophie platziert und mich vor dem Saisonstart mit der damaligen Haupttrainerin Brigitte Steiner getroffen. Bei ihr habe ich gespürt, dass sie offen für Neues ist und habe ihr vom Rotationsprinzip erzählt. Sie war begeistert und wir haben es eingeführt. Ein Jahr später, wurde es im Team Inner- schweiz bei allen Teams der FE12-Stufe eingeführt. Was ich damit sagen möchte, das Rotieren gehört zu meiner Philosophie bei der Ausbildung von Kindern und ich bin davon überzeugt, dass es ihnen hilft sich weiterzuentwickeln.
Welche Vorteile hat das für die Kinder?
Auf jeder Position sind andere Fähigkeiten gefordert, manchmal sind es Details. Aber es geht grundsätzlich darum, dass die Jungs und Mädchen das bestmögliche Verständnis fürs Spiel bekommen, sich auch in Spielsituationen wiederfinden, die ihre Fähigkeiten herausfordern oder in denen sie sogar überfordert sind. Zum Beispiel, wenn ein Spieler gerne offensiv spielt, aber in der Defensive noch seine Schwächen hat, setze ich ihn als Verteidiger ein. Auch wenn er Fehler macht, spielt das für mich absolut keine Rolle. Viel wichtiger ist zu beobachten, ob er aus dem Fehler gelernt hat und die nächste Situation anders löst. Natürlich, wenn ich merke, dass ein Kind völlig überfordert auf der Position ist, mache ich den Wechsel. Ich will das Kind nicht überfordern, sondern fordern. Als Juniorentrainer darf ich nie das Resultat in den Vordergrund stellen, sondern nur die Ausbildung .
Die Kinder zählen die Tore aber trotzdem.
Ja klar, die wissen am Ende des Spiels genau wer wie viele Tore geschossen hat. Das ist auch gut so. Das Rotieren soll auch nicht den Eindruck erwecken, dass das Resultat völlig gleichgültig ist. Aber für einen Trainer im Juniorenfussball müssen andere Dinge wichtiger sein. Ich bin auch sehr ehrgeizig. Aber ich kann es einordnen, wir können einen grossartigen Match spielen und verlieren. Wir können aber auch gewinnen und schlecht spielen. Ersteres ist mir fast lieber.
Deine Vorrunde mit der FE13 des SC Kriens war sehr erfolgreich.
Letzte Saison haben wir mit der FE12 in der Vorrunde jedes Spiel verloren. Wir haben aber an unserem Stil festgehalten, gearbeitet mit dem Jungs und dann wurden die Spiele immer knapper, wir konnten mithalten, waren spielerisch plötzlich besser als der Gegner und dann kamen auch die Erfolge. Das gab Auftrieb und wir merkten, es fruchtet. Und jetzt läuft es super. Mit derselben Mannschaft wie in der vergangenen Saison sind wir erfolgreich unterwegs und die Entwicklung stimmt.
«Ich muss bis morgen wissen, wer Captain ist. Die Aufstellung macht ihr.»
Es läuft so gut, dass die Spieler sogar die Aufstellung selbst bestimmen.
Das ist bei uns nichts Neues und hat nichts mit dem sportlichen Erfolg zu tun, sondern gehört für mich zur Ausbildung. Somit zeige und vermittle ich den Kindern auch mein Vertrauen in sie.
Stehen die Jungs dann vor dem Spiel in der Garderobe und diskutieren, wer wo spielt?
Das ist auch schon vorgekommen, ja. Ich sage ihnen in der Regel am Freitag im Abschlusstraining: «Ich muss bis morgen wissen, wer Captain ist. Die Aufstellung macht ihr.»
Und das funktioniert?
Ja, sehr gut sogar. Das beginnt dann gleich am Freitagabend nach dem Training in der Garderobe, dort diskutieren sie untereinander über die Aufstellung, es geht danach weiter im Teamchat auf Whatsapp und am Samstag vor dem Spiel ist die Sache klar.
Als Juniorentrainer darf ich nie das Resultat in den Vordergrund stellen, sondern nur die Ausbildung der Kinder.
Bleiben JuniorInnen freiwillig draussen?
Sie wechseln sich ab. Ich weiss wer wie viel gespielt hat und schaue, dass alle gleichviel Spielzeit be- kommen, sofern die Trainingsleistungen stimmen. Ich gebe ihnen das auch etwas vor, indem ich am Freitag mitteile, wer zwei Viertel spielt. Was man dabei gut beobachten kann, ist, dass sich die Spie- lerInnen eher dort aufstellen, wo sie sich am wohlsten fühlen. Das ist spannend für einen Trainer.
Die Schulung des mentalen Aspekts kommt so automatisch zum Tragen.
Ja, und im mentalen Bereich ist allgemein noch sehr viel Luft nach oben. Da wird meiner Meinung nach noch zu wenig gemacht. Sei es als Ausbilder durch eine Weiterbildung oder als SpielerIn in der Kabine. Ich bin überzeugt, dass man da noch viel herausholen könnte. Nicht nur für den Fussballplatz, auch zum Beispiel für die Schule und für den ganzen Druck, der sich leider immer mehr in die Gesellschaft eingeschlichen hat.
Wie gross ist der Druck in diesem Alter?
Die Kinder machen sich den Druck meist selbst. Sie wollen zum Beispiel die Eltern nicht enttäuschen. Oft bewerten sie sich selbst zu negativ. Es kann vorkommen, dass sie mit Tränen in den Augen rauskommen und sagen «ich habe scheisse gespielt». Objekt betrachtet stimmt das in neun von zehn Fällen nicht. Sie reflektieren nur die Fehlpässe oder vergebenen Torchancen, nicht aber die gelungenen Aktionen wie schön herausgespielte Torgelegenheiten oder gewonnen Duelle.
Wie reagiert man darauf als Trainer?
Man spricht mit ihnen, zeigt ihnen möglichst faktisch auf, dass sie sich zu negativ beurteilen. Wir versuchen dem Team aber eine positive Mentalität mit auf den Weg zu geben, sei es durch viel Eigen- bestimmung, aber auch mit Bildern oder Sprüchen in der Garderobe. Oder bei der Ansprache vor dem Spiel, die bei mir kaum taktisches enthält, sondern vor allem motivierend ist und Mut machen soll. Ich sage ihnen immer wieder, sie sollen mutig sein mit dem Ball und auch mal Fehler machen. Wichtig ist, daraus zu lernen. Wenn die Kids danach in der Garderobe aufstehen, sich abklatschen und sich die Seele herausschreien, dann weiss ich, ich habe sie erreicht.